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Schwierigkeitsbewertung beim Grasklettern

Dieses Thema im Forum "Rund um die Bergtouren" wurde erstellt von Hoefatssuechtig, 17. Mai 2012.

  1. Hoefatssuechtig

    Hoefatssuechtig Registrierter Benutzer

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    Moormerland
    Im Folgenden soll es um einen Entwurf einer eigenen, möglichst objektiven und differenzierten Skala beim Grasklettern mit möglichst umfangreicher und detaillierter Klassifizierung nach bestimmten Merkmalen gehen.

    Meiner Meinung ist so eine Einteilung längst überfällig, da Grasklettern nicht mit Felsklettern vergleichbar ist, zumal die internationale Schwierigkeitsbewertung diesbezüglich kaum aussagekräftig und kaum auf das Grasklettern übertragbar sind.

    Mein hauptsächliches Ziel ist die Vermeidung und Vorbeugung von Bergunfällen bei gleichzeitigem erfüllten Genuss einer Bergfahrt auch in schwierigstem Gelände.

    Ich betrete hiermit quasi „Neuland“ in der Risikobewertung, denn in der einschlägigen Literatur kommt das Grasklettern häufig zu kurz bzw. wird wenig bis gar nicht beachtet, weil es sich nur auf einen räumlich relativ kleinen Bereich der Alpen beschränkt.

    Insgesamt schlage ich eine 10-teilige Schwierigkeitsskala beim Grasklettern für eine bessere, objektiv vergleichbarere Beschreibung vor, die sich aus 25 Faktoren ergeben soll. Diese 25 Faktoren werde ich wiederum in verschiedene Bereiche bzw. Abstufungen gliedern, um eine möglichst exakte Einordnung zu gewährleisten.

    Ich schlage demnach folgende 25 Faktoren zur Schwierigkeitsbewertung beim Grasklettern vor, die sich teilweise auch mit dem Felsklettern überschneiden und sich teilweise auf alle Bereiche des Alpinismus beziehen:

    1. Steilheit: hier geht es um den Grad der Neigung von 0 bis 90 Grad bzw. in leicht überhängenden Bereichen bis ungefähr 100 Grad. Als mögliche Abstufungen schlage ich folgende Einteilung vor: leicht von 0 bis 30 Grad, mittelschwer von 30 bis 45 Grad, schwer von 45 bis 60 Grad, sehr schwierig von 60 bis 75 Grad, äußerst schwierig ab 75 Grad.

    2. Charakter: hier geht es um den grundsätzlichen Charakter der Tour, d.h. ob sich das Grasklettern an einer Wand, einem Hang, in einem Riss, in einem Kamin oder auf einem Grat abspielt.

    3. Höhe: die entsprechende Höhe des zu erreichenden Gipfels bzw. Zielpunkts.

    4. Zeitdauer: wie lange dauert der Aufstieg und wie lange der Abstieg?

    5. Höhendifferenz: wie viele Höhenmeter sind bei der Grastour zu überwinden? Eine Aufteilung in Seillängen erscheint mir aufgrund der häufig fehlenden Sicherungsmöglichkeiten nur wenig sinnvoll, allerfalls in den berüchtigten Graswänden.

    6. Wegstrecke: welche Entfernung, gemessen an der Luftlinie, muss man zurücklegen?


    7. Oberflächenbeschaffenheit: handelt sich hierbei nur um reines Grasgelände oder weist dieses Wiesencharakter mit Blumenreichtum auf oder befinden sich hier Sträucher, Büsche, Latschen oder ist das Gelände mit Narben versehen, d.h. mit offenen Erdstellen und mit Fels, Schrofen, Geröll, Schutt vermischt?

    8. Untergrundbeschaffenheit: handelt sich hierbei um blanken oder brüchigen Fels oder um Schutt, Geröll, Schrofengelände oder um bröcklige bzw. bröselige Erde bzw. Humusbodenauflagen oder ist der Untergrund mit Wurzelwerk durchsetzt oder finden sich Mixed-Verhältnisse aus Fels, Erde und Gras vor?

    9. Festigkeit: von sehr stabil bzw. fest bis extrem brüchig, d.h. ist das Grasgelände mit normalem Körpergewicht belastbar oder nur mit den Sohlenflächen oder nur mit den Händen oder ist das Grasgelände durch seine extreme Lockerheit und Brüchigkeit auf einzelnen Rasen- und Graspolstern nicht belastbar?

    10. Stufung: hier geht es um die Beschaffenheit der Trittflächen, d.h. findet sich eine günstige, feste und genaue Stufung wie bei einer Treppe oder eine ungünstige Stufung ohne jegliche sichere Standflächen und ohne ausreichende Trittflächen vor?

    11. Graslänge: hier geht es um die Länge des Grases bzw. der Vegetationsbedeckung, denn es macht sehr wohl einen Unterschied, ob man sich auf kurz- oder langstieligem Gras bewegt. Dies ist natürlich jahreszeitlichen Schwankungen ausgesetzt, da beispielsweise nach dem Abtauen im späten Frühjahr das Gras vom Vorjahr in der Regel kürzer, aber dennoch nicht einfacher zu begehen ist als im Frühsommer, wenn das Gras wieder frisch und langstielig ist, aber relativ fest im Oberboden verankert ist.

    12. Ausgesetztheit: hier geht es um die Breite und Größe der Trittflächen, wobei stets die schmalste Stelle anzugeben ist, d.h. ist das Grasgelände breit genug für eine gefahrlose Begehung oder ist das Gelände nur eine Hand breit und derart schmal oder zu einer Gratschneide verengt, sodass die entsprechende Stelle nur mit Piaztechnik (Hangeltechnik) oder nur im Reitsitz zu überwinden ist?

    13. Witterungsverhältnisse: hier geht es um die Witterungsverhältnisse, d.h. wie ist das Grasgelände nach Niederschlag, bei Reifbildung, bei Feuchtigkeit, bei Neuschneebelag, bei Altschneebelag, bei entsprechender Durchnässung (wird es dann zu rutschig, glitschig und schmierig?) oder nach langer Trockenheit beschaffen (wird es dann zu bröcklig und bröselig, sodass ein „Ausbrechen“ des Grases bei zu hoher Trittbelastung zu befürchten ist?)?

    14. Exposition: handelt es hierbei um die Nord- oder Südseite, d.h. wie sind die Verhältnisse des jeweiligen Sonnenstands, der Sonnenscheindauer und der entsprechenden Einstrahlungszeit der Sonne zu bewerten? Denn es macht sehr wohl einen Unterschied, ob man sich in einer trockenen Südwand oder in einer feuchten Nordwand befindet.

    15. Sicherungsmöglichkeiten: gibt es ausreichend natürliche und / oder technische Sicherungsmöglichkeiten wie Griff- und Haltemöglichkeiten oder ist etwa durch eine ungünstige bzw. fehlende Stufung eine Begehung im Solo-Stil erforderlich?

    16. Rückzugsmöglichkeiten: gibt es ausreichend Möglichkeiten eines sicheren und gefahrlosen Rückzugs bzw. ab wann ist ein Rückzug nicht mehr zu empfehlen bzw. kaum mehr sinnvoll? Welche Anforderungen und Schwierigkeiten erfordert eine Umkehr bzw. ein Rückzug beispielweise bei plötzlich eintretenden Wetterumschwüngen?

    17. Zustieg: wie gestaltet sich der Zustieg, d.h. ist der gewünschte Einstieg zur entsprechenden Tour kurz und schnell erreichbar oder ist der Zustieg lang, schwierig und kraftraubend?

    18. Verhältnisse im Abstieg: sind die Verhältnisse ähnlich wie beim Aufstieg bzw. welche geänderten Anforderungen ergeben sich beim Abstieg?

    19. Ausrüstung: benötigt man nur entsprechendes Schuhwerk und Kleidung oder sind Grödeln, Steigeisen, Pickel, Seil, Eisbeil, Haken, Friends, Klemmkeile etc. notwendig? Beim Grasklettern sollte man beim Schuhwerk folgendes bedenken: müssen die Schuhe regelmäßig während der Tour „gereinigt“ werden, wenn sich feuchte Erde und einzelne Rasen- und Graspölsterchen darunter festgesetzt und festgeklebt haben, damit ein gefahrloses Weitergehen möglich ist? Man kann bei der Ausrüstung das eigentlich Grundsätzliche und Selbstverständliche nicht oft genug wiederholen: ist das Schuhwerk für eine Bergtour im Grasgelände überhaupt geeignet? Ist die Kleidung für die vorherrschenden Witterungsverhältnisse geeignet? Ist bei starker Sonneneinstrahlung ausreichend an Wasser und Verpflegung gedacht worden? Im Zuge der Klimaveränderung ist auch die erhöhte UV-Einstrahlung (Stichwort Sonnenbrille, Kopfbedeckung, Sonnencreme etc.) zu bedenken. Diese Dinge werden leider immer wieder missachtet (mit entsprechenden negativen Folgen) und können nicht oft genug in Erinnerung gebracht werden.

    20. Markierung: ist eine entsprechende Markierung durch Hinweistafeln, Schilder, Graffitipunkte, Pfeile vorhanden oder nicht? Gibt es bei fehlender Markierung ausreichend Trittspuren oder sind diese nur sehr spärlich vorhanden? Ist der Weg bzw. Pfad ausgetreten oder befindet man sich in unberührter Wildnis? Häufig helfen einem sogenannte Gamsspuren wie Kot oder anderen „Hinterlassenschaften“ im Grasgelände weiter, denn dies deutet in der Regel zwar auf durchaus anspruchsvolle Verhältnisse hin, die jedoch bei entsprechender Erfahrung noch zu bewältigen sind.

    21. psychische Anforderungen: hier geht es um die subjektive Gefahreneinschätzung, d.h. besitzt man ausreichend Schwindelfreiheit und Trittsicherheit? Dies kann von relativ leicht und harmlos bis sehr schwierig und lebensgefährlich reichen, wenn beispielsweise jeder Ausrutscher oder sonstiger Fehler tödlich enden wird. Ist man der Grastour allein gewachsen oder empfiehlt sich eine Begehung zu zweit oder zu dritt?

    22. Sturz: hier geht es um die objektive Gefahreneinschätzung, d.h. wie wirkt sich ein etwaiges Ausrutschen, Abrutschen, Straucheln bzw. ein gerade noch kalkulierbares Stürzen aus? Wie sehen hier die Überlebenschancen aus? Dies kann von ein paar blauen Flecken bis zum sicheren Tod reichen. Ist ein eventueller Sturz im Gelände „verkraftbar“ oder sofort tödlich?

    23. Schrifttum und Karten: sind ausreichend Literatur, Erfahrungsberichte, Informationsmaterial, Bildmaterial (Photos, Skizzen, Zeichnungen) zur Routenführung vorhanden oder nur erratisch oder eventuell gar nicht? Jedoch sollte man durchaus kritisch damit umgehen, denn selbst die Darstellung auf einem Photo kann erheblich von den tatsächlichen Verhältnissen abweichen, vor allem wenn es um Details bei den Schlüsselstellen geht.

    24. Vorbereitung: welche Vorkenntnisse und Erfahrungen sind für die entsprechende Grastour notwendig? Welche klettertechnischen Vorbereitungen und physische Anforderungen wie Kraft, Ausdauer, Kondition sind notwendig?

    25. Empfehlung: zugegebenermaßen ist dies der wohl subjektivste Faktor, denn die Einschätzung und Wahrnehmung hinsichtlich Schönheit, Ausblick, Klettergenuss bleibt jedem selbst überlassen.


    Jetzt wird man mir vorwerfen, dass so eine Liste mit 25 Faktoren bei zukünftigen Beschreibungen kaum umsetzbar ist. Viele dieser Aspekte sind natürlich nicht neu und teilweise selbstverständlich. Mir geht es vor allem um eine umfassende Darstellung aller nur erdenklichen Einflussfaktoren auf das Grasklettern, das häufig dem herkömmlichen Klettern in Fels und Eis untergeordnet und nicht selten unterschätzt wird. Ich betone nochmals, dass es sich hier um einen ersten umfassenden Entwurf handelt, der hoffentlich zu einer regen und kontroversen Diskussion beitragen wird.


    Demnach könnte eine mögliche 10-teilige Bewertungsskala wie folgt aussehen:

    G0: relative harmlose Grashänge bis etwa 30 Grad Neigung mit günstiger Stufung und ausreichenden Markierungen

    G1: kein leichtes Gehgelände mehr, dass zwar noch gut gestuft ist, aber bereits eine Neigung über 30 Grad aufweisen kann wie z.B. die Anstiege auf Rauheck und Kreuzeck

    G2: Grasgelände mit wenigen, aber recht anspruchsvollen Stellen, die mitunter die Zuhilfenahme der Hände verlangen und eine mäßige Ausgesetztheit besitzen wie z.B. der Anstieg auf die Kegelköpfe

    G3: Grasgelände mit einer Neigung über 45 Grad, relativ ausgesetzt, teilweise ungünstige Stufung, erfordert bereits Schwindelfreiheit und gute Trittsicherheit wie z.B. der Normalanstieg auf den Höfats-Ostgipfel

    G4: Grasgelände mit einer Neigung bis 60 Grad, teilweise sehr ausgesetzt, teilweise fehlende Stufung des Untergrunds, bereitet bereits beim Abstieg erhebliche Schwierigkeiten wie z.B. der Normalanstieg auf den Höfats-Westgipfel oder den Normalanstieg auf die Kleine Höfats über den Ostgrat

    G5: ab hier beginnt das schwierige Grasklettern, das die obere Grenze eines Normalbergsteigers bzw. eines Zufallsbergsteigers darstellt wie z.B. der Nordostgrat der Höfats oder der Nordostgrat der Kleinen Höfats

    G6: sehr schwierige Grastouren wie z.B. der Höfats-Nordgrat oder der Westgrat der Kleinen Höfats, ab hier können ein Rückzug sehr problematisch und ein eventueller Sturz tödlich enden

    G7: ab hier beginnen die extremen Touren wie z.B. der Nordwestgrat des Himmelhorns oder die Südostwand der Höfats

    G8: Äußerst schwierige Grastouren wie der berüchtigte Rädlergrat oder der Nordwestgrat auf den Schneck

    G9: nur noch für extreme Grasspezialisten wie z.B. die Wände des Himmelhorns und der Höfats

    G10: höchste Schwierigkeit wie die direkte Route durch die Westwand und die Nordwand der Höfats



    Verbesserungs- und Erweiterungsmöglichkeiten sowie weitere anregende Vorschläge und Anmerkungen sind jederzeit willkommen und erwünscht.

    Grüße, Christian aus Buchloe
     
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